Kleines ABC der Gewitterfotografie – so einfach ist es

Ein kleines Tutorial von Carlo Stuppia, www.schlechtwetter.ch

Vorwort

Zuck und Donnerschlag – fürchterliche Kräfte können sich entwickeln, wenn Gewitter sich über unseren Landschaften entladen. Gewitter haben auch viele schöne Seiten, und eine davon wird in diesem Schriftstück in ihren fototechnischen Aspekten beleuchtet: Blitze! Und, was auf den ersten Zeilen sicher jede Leserin und jeden Leser freut: Blitze fotografieren ist einfach - aber gefährlich für jenen, der zuviel will ;-)

Sicherheitshinweis

Zuallererst möchte ich an dieser Stelle auf die Gefährlichkeit der Gewitterfotografie hinweisen: Jedes Jahr werden mehrere hundert Personen von Blitzen getroffen. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen – wer sich während eines Gewitters im Freien bewegt, muss damit rechnen, von einem Blitz getroffen zu werden. Am sichersten ist es, Blitze aus dem Innern eines Gebäudes zu fotografieren. Ebenfalls sicher ist das Fotografieren vom Auto aus, was aber leider nicht immer machbar ist, beispielsweise, weil man gerade das Fahrzeug nicht dort abstellen kann, wo es eigentlich vorzuziehen wäre. Ich bewege mich des öfteren im Freien, suche aber den Schutz des als farradayischen Käfigs dienenden Fahrzeugs auf, falls das Gewitter zu nahe kommt. Ein Blitzschlag kann aber auch in der Nähe des Fotografen einschlagen, wenn das Gewitter noch mehrere Kilometer entfernt ist. Blitze sind unberechenbar, wer sich vernünftig verhält, kann aber trotzdem unbeschadet die Naturgewalt im Bild festhalten. Ich habe bislang jedenfalls keinen Schaden wegen der Gewitterfotografie in Kauf nehmen müssen ;-)

Equipment

Für die Gewitterfotografie benötigt man eine Kamera, die manuelle Einstellungen bzw. längere Belichtungszeiten erlaubt. Die Brennweite des verwendeten Objektivs kann von 24 bis etwa 100 mm reichen. Extremere Weitwinkel sind nur selten einsetzbar, weil dann die Blitze entweder zu klein oder dann halt zu nah (autsch!) sind. Längere Brennweiten sind ebenfalls nicht dienlich, weil dann die Blitze aufgrund irgendwelcher physikalischer Gesetze ihr Weiss verlieren und in wüstem Orange oder Rot erscheinen. Die langen Belichtungszeiten von einigen Sekunden bis zu einigen Minuten machen die Verwendung eines schweren und deshalb zumeist teuren Stativs und eines Drahtauslöser selbsterklärend notwendig. Dienlich ist auch eine Stoppuhr oder die Verwendung eines Auslösers mit Zeitoption (beispielsweise Nikon MC-20). Ein Regenschutz ist empfehlenswert, von der Verwendung eines Schirm sollte abgesehen werden. Ein grosses Problem ist der Schutz der Frontlinse des Objektivs, das vor Tropfen geschützt werden muss. Leider wird die Linse fast immer wetterseitig ausgerichtet und bei Sturmwetter, durch den zum Teil orkanartigen Wind bedingt, regnets manchmal fast horizontal aufs Glas, womit auch eine Sonnenblende fast nutzlos wird. Manchmal nützt es, das Objektiv zusätzlich mit der Hand abzuschirmen, manchmal kann man auch ein Stofftuch oder einen Karton darüber halten. Grundsätzlich ist es aber so, dass bei starkem Regen keine Gewitterfotografie möglich ist. Eine gute Lösung für dieses Problem habe ich aber bislang noch nicht gefunden --– selbst beim Fotografieren vom Auto aus gibts Probleme, weil dann vielleicht zwar das Objektiv trocken bleibt, dafür sich der Ozean wegen des offenen Seitenfenster im Wageninnern ausbreitet. Glücklicherweise ergibt es sich, dass sogenannte Trockengewitter übers Land ziehen: Ein wahrer Glücksfall für regengeplagte Blitzjäger!

Vorbereitung

In meinen Augen das wichtigste Kapital in der Gewitterfotografie überhaupt! Wer unvorbereitet auf Blitzjagd geht, kann Glück haben und wirklich Blitze erwischen, das ist klar. Wer sich aber vorbereitet, erhöht seine Chancen auf gute Bilder. Ich mach das so: Zuallererst suche ich mir einige gute Standorte aus, von denen ich mir vorstellen kann, dass sie eine gute Figur im Zusammenspiel mit den Blitzen machen. Mir ist dabei ein guter Vordergrund selbstredend wichtig. Dieser sollte nicht von Bäumen oder Gebüschen oder anderem Gezeugs gestört werden und eine freie Sicht erlauben. Deshalb bevorzuge ich für meine Bilder erhöhte Standorte, bei denen die Chance gross ist, den Einschlagsort ebenfalls aufs Bild zu kriegen. Bei flachem Gelände ist das natürlich ungleich schwerer und oftmals versperren Bäume, Stromleitungen und andere Objekte die Sicht – dies wiederum kann aber auch Programm sein, um etwas weniger minimalistische Bilder hinzukriegen, in denen die Lichterscheinungen nicht Protagonisten, sondern eine mehr oder weniger ebenbürtige Stellung zur Umgebung haben.

Wichtig für die Standortwahl ist die Erreichbarkeit zu jeder Abend- und Nachtstunden innerhalb einer gewissen Zeitspanne (bei mir ist die Obergrenze bei 20 Minuten, mehr geht hier am Oberen Zürichsee nicht, weil die topografischen Gegebenheiten in den Voralpen die Verfolgung der Gewitter über längere Zeitspannen und Distanzen nicht erlauben). Wer sich mal so eine Liste bereit gelegt hat, muss eine Gewitterlage abwarten. Wichtig ist dabei das Bewusstsein, dass Meteorologie ein sehr schwieriges Terrain für Laien ist und man sich auf die Angaben von Profis verlassen muss, deren Prognosen aber des öfteren daneben hauen. Hab mich schon manchmal des Nachts bis drei Uhr durchgeseucht, um dann trotzdem gewitterlos die Bettstatt aufzusuchen. Ist die Front aber am Anrollen, sollte unbedingt ein Niederschlagsradar im Internet zu Rate gezogen werden – etwas googlen und schon wird man einen für sein Gebiet finden. Diese Radars zeigen die Niederschlagsintensität in verschiedenen Farben an und die Animation dient mir dazu, die Zugrichtung des Gewitters festzustellen. Ebenfalls sehr dienlich sind Internet-Seiten, die die Blitzintensität zeitlich abgestuft zeigen -- http://www.blids.de/ -- auch hier ist die Zugrichtung des Gewitters sehr schön zu sehen. Ich check dann die Richtung mit den vorbereiteten Standorten ab und entschliesse mich dann für denjenigen, der am besten mit der bevorstehenden Front übereinstimmt. Am besten sind deshalb Standorte, die einen Blick von gegen 180 Grad oder sogar mehr verfügen. Dann muss es schnell gehen, weil so eine Front schnell durchrauscht. Ab ins Auto und hingefahren.

Vor Ort -– meine Vorgehensweise

Am Standort stelle ich zuerst immer die Kamera mit dem Stativ auf. Dann begucke ich mir mal die Front. Oftmals kann man erkennen, wo die Blitze gerade einen draufmachen, weshalb ich das Objektiv dann dorthin ausrichte. Manchmal blitzt es aber überall, was es nicht gerade leicht macht, sich für einen Ausschnitt zu entscheiden. Das ist mir lieber, als wenn ein Gewitter nur alle fünf bis zehn Minuten einen Blitz loslässt -- das verunmöglicht das Fotografieren fast, weil es zu einer Riesenlotterie wird, ob man gerade den richtigen Ausschnitt gewählt hat. Mit etwas Übung kommt man dann aber schon auf die Sprünge, wo ein Versuch sinnvoll wäre. Vielfach muss die Kamera dann nachgerückt werden, weil sich die Front ja bewegt.

Die Kamera-Einstellungen

Ich fokussiere manuell auf unendlich (Achtung: bei manchen Objektiven darf nicht einfach an den Anschlag gedreht werden, weil sich die Unendlich-Einstellung manchmal etwas vor diesem Punkt befindet!), stelle im manuellen Modus bei möglichst tiefer ISO-Wahl (100 oder 200) die Blende auf 8 bis 11 ein und je nach Lichtverhältnissen Bulb (Langzeitbelichtung über 30 Sekunden) oder dann eben eine Zeit, die kürzer als 30 Sekunden ist. Es ist halt Erfahrungssache, welche Belichtungszeit die jeweiligen Lichtverhältnisse benötigen - in der heutigen Zeit kosten ja Experimente nichts mehr (ich habe in meiner analogen Zeit Hunderte Velvia-Diafilme mit meist nachtschwarzen Frames verschossen :-). Bei stockdunkler Nacht und wenig Umgebungslicht können Bilder schon mal mit Belichtungszeiten von vier Minuten gemacht werden.
Bei helleren Lichtverhältnissen muss man die Zeit natürlich nach unten korrigieren, auch dann, wenn nachts Umgebungslicht mit im Spiel ist. Die Belichtungszeit orientiert sich in der Nacht nicht nach den Blitzen, sondern nach dem Zivilisationslicht. Je näher Strassenlaternen und Hausbeleuchtungen sind, desto kürzer wird die Belichtungszeit. Hier kann ich leider keine wirklich verlässliche Tipps geben, das muss man vor Ort selber mal testen. Bei Tageslicht kann man natürlich abblenden, um die Belichtungszeit zu verlängern, aber bei Zeiten unter einer Sekunden ist es schon wirklich Glück, einen Blitz zu erwischen, da man ja theoretisch abdrücken muss, bevor man den Blitz sieht ;-) Es gibt aber technische Hilfsmittel, die einem die Reaktionsarbeit abnehmen - http://www.lightningtrigger.com -, ich verwende aber keine, weils mir etwas zu teuer ist. Abgesehen davon kann man sich so schön aufregen, wenn einem wieder mal ein ganz schöner Lichtschlag durch die Lappen gegangen ist...

Zur Blendenwahl: Ich fotografiere Blitze am Abend und in der Nacht mit Blenden zwischen 8 und 11, tagsüber auch bis Blende 16, um die Belichtungszeit zu verlängern. Eine kleinere Blende als 20 macht - zumindest für jene, für die nur die bestmögliche Bildqualität in Frage kommt - wegen zunehmender Beugungsunschärfe keinen Sinn.

Ich wünsche allen, die sich mal mit der Blitzjagd befassen wollen, viel Glück und gut Licht!